Kinder- und Jugendtheater

Kinder- und Jugendtheater
Kinder- und Jugendtheater,
 
Sammelbegriff für alle Formen von Bühnenstücken, die speziell für Kinder und Jugendliche geschrieben wurden. Die Anfänge wurzeln im »didaktischen« Theater, das den Schulunterricht durch minimale Aufarbeitung zu bereichern versuchte. Als eigentlicher Begründer der dramatischen Kinderliteratur gilt Gottlieb Konrad Pfeffel (*1736, ✝ 1809). Seine von Kindern aufgeführten Stücke waren Ausdruck eines sich festigenden bürgerlichen Weltbildes, das seinen Gegensatz zu den herrschenden feudalen Zuständen empfand. Ein weiterer Vorreiter war C. F. Weisse, der sich mit seinen »Dramoletts«, kleinen realistischen Kinderschauspielen, an das aufgeklärte Bürgertum, an die Kinder einer aufstrebenden Klasse wandte. Carl August Goerner (* 1806, ✝ 1884) betitelte seine zum Teil in der Tradition Weisses stehenden Kinderstücke zunächst als »Kinderkomödien«. Auch er entzog sich nicht der zunehmenden Märchenrezeption durch das Bildungsbürgertum. Erste erfolgreiche Versuche, ein eigenständiges K.- und J. zu etablieren, gab es in der Sowjetunion, wo 1918 Natalija I. Saz in Moskau die Gründung des ersten Kindertheaters (seit 1936 »Zentrales Theater für Kinder«) veranlasste; 1935 gab es bereits 57 K.- und J. in der Sowjetunion. Auch in New York (1921), Schottland (1927), Paris (1929), Oslo (1931), Wien (1934) entstanden K.- und J. Nach 1945 griff man in den sozialistischen Ländern die sowjetischen Erfahrungen mit der Gründung von professionellen K.- und J. auf, es bildete sich eine eigene Dramatik für Kinder und Jugendliche heraus. 1946 entstand das erste Kindertheater in der SBZ, das noch immer bestehende »Theater der Jungen Welt« in Leipzig, es folgten weitere, bis heute erfolgreich arbeitende Ensembles, in Dresden (1949), Berlin (1950), Halle (Saale) (1952) und Magdeburg (1969).
 
Erst nach kritischer Reflexion der gesellschaftlichen Zustände erwuchs in der Bundesrepublik Deutschland ein neuer Blick für das K.- und J.; obwohl schon 1953 in München das »Theater der Jugend« gegründet worden war und der Berliner Senat 1961 den Brüder-Grimm-Preis für K.- und J. stiftete, wurden erst Ende der 60er-Jahre Stücke entwickelt, die ihr junges Publikum ernst nahmen und sich nicht nur auf Unterhaltung beschränkten.
 
Mit »Stokkerlok und Millipilli« (1969), »Maximilian Pfeiferling« (1969), »Die Mugnog-Kinder« (1970) und der Kollektivproduktion »Balle, Malle, Hupe und Artur« (1971) begann eine neue Entwicklung im K.- und J. der Bundesrepublik Deutschland, das nun allein für die Kinder Partei ergreift. Initiator war seit 1968 das Grips Theater für Kinder in Berlin (West) u. a. mit seinem Leiter V. Ludwig. Die »Grips«-Helden sind Kinder und später (»Das hältste ja im Kopf nicht aus«, 1975) auch Jugendliche, die in ihrer Umwelt vielfach auf Unverständnis stoßen und stellvertretend für ihr Publikum solidarisch handeln. Das war kulturpolitisch nicht immer unumstritten. Die Gruppe »Rote Grütze« in Berlin (West) z. B. sah sich wegen ihrer Sexualaufklärungsstücke »Darüber spricht man nicht« (1973) und »Was heißt hier Liebe?« (1976) von konservativen und katholischen Kreisen stark angegriffen. Autoren aus der Bundesrepublik Deutschland sind z. B. F. K. Waechter, P. Maar, Wilfrid Grote (* 1940) und Rudolf Herfurtner (* 1947).
 
Die ASSITEJ (französische Abk für; »Internationale Vereinigung der K.- und J.«), 1965 in Paris als Unterorganisation der UNESCO gegründet, fördert bi- und multilaterale Kontakte zur Unterstützung des K.- und J. in aller Welt.
 
 
Kindertheater u. Interaktionspädagogik, hg. v. M. Klewitz u. a. (1972);
 M. Schedler: Kindertheater. Gesch., Modelle, Projekte (1972);
 M. Jahnke: Von der Komödie für Kinder zum Weihnachtsmärchen (1977);
 C. Cardi: Das Kinderschauspiel der Aufklärungszeit (1983);
 W. Schneider: Kindertheater nach 1968 (1984);
 
Grimm & Grips. Jb. für K.- u. J., Bd. 1 (1987 ff.);
 
K.- u. J. in der DDR, hg. v. W. Schneider (1990);
 
K.- u. J. in den Niederlanden, hg. v. W. Schneider: (1992);
 
Reclams Kindertheaterführer (1994).

Universal-Lexikon. 2012.

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